Blackout-Angst in Sachsen: Wie gut sind wir wirklich vorbereitet?

Von Uwe Blümel
23.10.2022 07:15

Dresden - Gasmangellage, Cyberangriffe, mögliche Sabotage an Stromleitungen und Pipelines sowie Probleme bei den französischen Atomkraftwerken bringen unsere Strom- und Gasversorgung in diesem Winter an ihre Grenzen. Ein großflächiger und langandauernder Ausfall kann nicht ausgeschlossen werden - der sogenannte Blackout. Bleiben dann die Heizungen kalt und gehen alle Lichter aus? Wie sich Sachsen gegen den Blackout rüstet.

Heißer Grog statt warme Heizung: Viele rüsten sich für einen Blackout im Winter. Um Strom zu sparen, zünden sie Kerzen statt Lampen an.
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Im September vergangenen Jahres reichte schon ein einziger Luftballon aus, um das Stromnetz von zeitweise 300.000 Dresdner Haushalten bis zu zwei Stunden lahmzulegen.

Der mit Aluminium beschichtete Ballon löste im Umspannwerk Dresden-Süd einen Kurzschluss aus, legte die komplette Anlage lahm. Straßenbahnen standen still, Aufzüge blieben stecken, Ampeln fielen aus.

Bei einem Blackout dauert die Stromsperre tagelang und erfasst weite Teile Deutschlands! Dann tauen Kühlschränke und -truhen ab. Handynetze fallen aus. Geldautomaten streiken. Auch mit Bargeld kommt man nicht weit, wenn Supermarkt- und Tankstellen-Kassen ausgefallen sind.

Sie sind zwar oft mit Notstromaggregaten abgesichert, doch die sind nicht für Dauerbetrieb ausgelegt. Weil auch die Pumpen nicht laufen, kommen selbst Einsatzfahrzeuge von Polizei, Notarzt oder Technischem Hilfswerk nicht an Sprit.

Ohne Strom fließt auch kein Wasser aus dem Hahn. Sogar die Klospülung funktioniert nicht mehr ohne elektrische Wasserpumpen. Wer koordiniert das Blackout-Chaos?

Energiekrise: Kommunen bereiten sich auf Blackout vor

Riesenbatterie zur Stromabsicherung: Das Pumpspeicherkraftwerk I in Hohenwarte ist mit einem Speichervolumen von 182 Millionen Kubikmetern Wasser die viertgrößte Talsperre Deutschlands.
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Im Handumdrehen ist alles dicht: Zugedrehte Ventile in Russland lassen nur noch wenig Gas durch die Pipelines rauschen.
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Wie werden Bürger erreicht?

Die Warn-App Nina.
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"Da ein großflächiger Stromausfall Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche haben wird, wäre zu erwarten, dass auch der Verwaltungsstab des Innenministeriums aufgerufen wird", sagt Silvaine Reiche (48), Sprecherin des sächsischen Innenministeriums.

Warnungen und Gefahreninformationen von Polizei, Katastrophenschutz oder Wetterdienst können über die Notfall-Informations- und Nachrichten-App NINA sowie die Bürger-Info- und Warn-Apps BIWAPP und KATWARN empfangen werden (kostenlos in den App-Stores erhältlich).

Laut Sächsischem Energieministerium ist im Krisenfall jeder Bürger 72 Stunden lang auf eigene Vorräte angewiesen. Ruft die Bundesregierung eine Versorgungskrise aus, muss der Freistaat laut Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz Lebensmittel und Trinkwasser zur Verfügung stellen.

Dafür stehen 140 sächsische Trinkwassernotbrunnen und mobile Wassertankanlagen zur Verfügung. Zentral werden Weizen, Roggen und Hafer, Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch gehortet.

Zudem bevorratet der Erdölbevorratungsverband (EBV) in acht Tanklagern insgesamt 570.000 Kubikmeter Rohöl, Benzin, Diesel, Heizöl und Flugturbinenkraftstoffe in Sachsen. Lage und Aufteilung: geheim. Damit könnte ein vollständiger Ausfall aller Ölimporte rechnerisch für drei Monate ausgeglichen werden.

Sichert Stromerzeugung in der Gaskrise: Braunkohlekraftwerk Boxberg am Bärwalder See.
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100.000 Liter Kraftstoff für Klinik-Notstrom

Werden monatlich auf Funktion getestet: Auf dem Gelände des Uniklinikums Dresden sind 16 Diesel-Notstromaggregate im Einsatz.
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In Kliniken können Stromausfälle tödliche Folgen haben. Um eine permanente Stromversorgung sicherzustellen, kommen zum Beispiel im Universitätsklinikum Dresden (UKD) 16 stationäre Netzersatzaggregate (NEA) zum Einsatz.

"Bei einem plötzlichen Stromausfall starten die NEAs innerhalb von 15 Sekunden automatisch", sagt UKD-Sprecher Holger Ostermeyer (59).

In Tankanlagen werden dafür 100.000 Liter Kraftstoff für 36 Stunden Dauerbetrieb vorgehalten.

Zudem sind viele Therapien wie etwa die Tumorbehandlung durch Protonentherapie energieintensiv.

"Für die Aufrechterhaltung unseres Medizinbetriebes, für Diagnostik und Therapie benötigen wir jährlich den Energie- und Ressourcenbedarf einer Kleinstadt", sagt Michael Albrecht (71), medizinischer Vorstand am UKD.

Zahlen und Fakten

10,73 Minuten mussten deutsche Haushalte 2020 im Durchschnitt ohne Strom auskommen.

6 Tage dauerte es nach einem großflächigen Stromausfall während des Schneechaos im Münsterland 2005, bis alle Haushalte mit insgesamt 250.000 Bewohnern wieder mit Strom versorgt waren. Ungewöhnliche Schneemassen hatten reihenweise Strommasten einknicken lassen.


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